Fin-Tech Start-up Number26 im Shitstorm

Gute Presse, schlechte Presse

N26 (bis vor kurzem „Number26″) wollte anders sein – kein ­normales Fin-Tech Start-up, keine normale Bank, wie so viele andere. Innovativ, modern, transparent. Das Angebot: kostenloses Giro­konto, kostenlose Kreditkarte, kein Mindestgeldeingang, unkomplizierte Handhabung durch mobiles Banking mit dem Smartphone. Dazu lockt modernste Sicherheitstechnologie, und auch Bargeld abheben ist bei N26 kostenlos. So weit, so gut. Ein zufriedenes Unternehmen, zufriedene Kunden, Friede, Freude, Eierkuchen – sollte man meinen.

Doch einige Kunden erlebten Anfang Juni 2016 etwas ganz und gar nicht Erfreuliches: Etwa 450 von ihnen erhielten Kündigungsschreiben von N26. Eine nachvollziehbare Begründung gab es nicht. Von Seiten des Unternehmens mehrere Tage Stillschweigen. Dann eine knappe Pressemitteilung, in der es unter anderem hieß: „Im Verhältnis zu unserem Wachstum ist die Anzahl der Kontokündigungen unwesentlich.” Bei etwa 160.000 Kunden stimmt das zwar, den Einzelnen ­dürfte das aber trotzdem kaum interessiert haben. Was die Gründe anging, war die Rede vom „Verdacht auf missbräuchliche Verwendung des Produkts oder Geldwäsche”.

Schnell kristallisierte sich heraus, dass mit „missbräuchliche Verwendung” übermäßige Bargeldabhebungen gemeint sein könnten. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass Abhebungen das Unternehmen bisher jedes Mal 1,50 bis zwei Euro kosten. Denn N26 selbst war bis dato kein selbständiges Geldhaus, sondern arbeitete zu diesem Zeitpunkt mit der Wirecard Bank als Finanzinstitut zusammen, die wiederum die Bargeldautomaten zur Verfügung stellte. Dementsprechend verursachten Kunden, die häufig Geld abhoben, Kosten. (Anm. d. Red.: Seit wenigen Wochen ist N26 nun im Besitz ­einer deutschen Vollbanklizenz und hat damit die ­Erlaubnis, künftig selbst Bankgeschäfte in Europa tätigen zu können.)

Dass Kunden aber das nutzen, was ihnen angepriesen wurde, was für manche sogar erst der Grund gewesen sein dürfte, sich überhaupt für N26 zu entscheiden, sollte allerdings kein Problem darstellen. Und erst recht sollte es kein Kündigungsgrund sein. ­Dementsprechend fielen die ersten Reaktionen äußerst verärgert aus, ein Shitstorm braute sich in den sozialen Medien zusammen:

Immer mehr verärgerte Kunden, deren Rufe immer lauter wurden und schließlich auch ein Medieninteresse, das nicht mehr ignoriert werden konnte – langsam dämmerte dem Girokonto-Fin-Tech dann doch, dass das eigene Kommunikationsverhalten etwas dürftig war. N26 erwachte aus seinem Dornröschenschlaf und veröffentlichte eine weitere Pressemitteilung, in der den Kunden angeboten wurde, den Einzelfall noch einmal zu prüfen und bei Interesse dann auch wieder ein Konto zur Verfügung zu stellen.

Schadensbegrenzung in letzter ­Sekunde. Weitere vertrauensbildende ­Maßnahmen wurden eingeleitet, etwa eine spezielle Email-Adresse, an die sich Betroffene wenden konnten und vor allem: Eine neue „Fair-Use-Policy” wurde erarbeitet. Endlich mehr Informationen, endlich mehr Transparenz, endlich echte Kommunikation auf Augenhöhe.

Wir haben Geschäftsführer Valentin Stalf zwei Fragen zu den Ereignissen gestellt:

Herr Stalf, viele Ihrer Kunden beklagten eine lückenhafte Informationslage in den letzten Monaten. Räumen Sie ein, dass Ihre Unternehmenskommunikation bis vor kurzem einige Mängel aufwies?
Valentin Stalf: Das müssen zwar ­andere bewerten, aber insgesamt war sie sicherlich nicht so gut. Im Nachhinein würden wir ganz anders kommunizieren, als wir es damals getan haben. Aber das war ja auch das Learning daraus: Eine bessere Kommunikation. Viele der betroffenen Kunden waren sich gar nicht darüber bewusst, dass Geldabheben Kosten verursacht.

Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?
Valentin Stalf: Wir haben jetzt unsere „Fair-Use-Policy” gelauncht, die auf einer Umfrage mit unseren Kunden basiert. Damit stellen wir sicher, dass sie weiterhin unbegrenzt kostenlos mit Cash26 abheben und darüber hinaus weitere Abhebungen am Geldautomaten machen können. Das haben wir ganz offen und mit viel Vorlauf an unsere Kunden kommuniziert. Das kam gut an.

Würde nach dem Shitstorm heute anders mit Kunden und Mediehn kommunizieren: N26-Chef Valentin Stalf. (c) www.franzgruenewald.de

Würde nach dem Shitstorm heute anders mit Kunden und Mediehn kommunizieren: N26-Chef Valentin Stalf. (c) www.franzgruenewald.de

Diese neue „Fair-Use-Policy” sieht folgendermaßen aus: Kunden haben nun zwei Möglichkeiten Bargeld abzuheben. Erstens, die klassische Methode am Bankautomaten: Bis zu fünf kostenlose Geldabhebungen an Bank­automaten sollen für Kunden in Zukunft pro Monat möglich sein. Danach werden zwei Euro Gebühr pro Abhebung fällig. Das allerdings gilt nur für Kunden, die unter 26 Jahre sind, beziehungsweise das N26-Konto als Hauptkonto führen. Wer das nicht erfüllt, darf lediglich drei Mal im Monat kostenlos den Geldautomaten benutzen.

Zweitens, die innovative Methode: Der Kunde kann zudem mithilfe eines Barcodes auf seinem Smartphone Bargeld bei Partnern von N26 an der Kasse abheben, das Ganze nennt sich Cash26. Unter den Partnern sind beispielsweise Supermarktketten. Innerhalb von 24 Stunden können Kunden maximal 999 Euro auf diese Weise abheben, maximal 300 Euro pro Transaktion.

Verbesserungen, die sich sehen lassen können. Unter dem Strich hat der Shitstorm dem Unternehmen zudem kaum geschadet. Im Gegenteil: N26 konnte in den vergangenen Monaten eine enorme Medienpräsenz erzielen. Was ohne den voran gegangenen Shitstorm so sicherlich nicht möglich gewesen wäre. Viele dürften sogar erst durch ihn sowie die anschließende Berichterstattung darüber auf das Unternehmen aufmerksam geworden sein. Ganz nach dem ­Motto: Es gibt keine schlechte Presse – Hauptsache man weiß, dass ich überhaupt existiere.

Und eben dieser Mechanismus griff auch im Fall von N26. Die Bilanz fällt inzwischen sogar erstaunlich positiv aus: Doppelt so viele Neukunden pro Woche wie noch vor wenigen Monaten verzeichnet das Unternehmen gegenwärtig. Dazu könnte auch beigetragen haben, dass Apple das Unternehmen kürzlich positiv auf der Entwicklerkonferenz WWDC erwähnte. Diese Neukunden scheinen sich kaum für die voran gegangene Kündigungswelle zu interessieren. Es liegt nahe, dass für sie stattdessen vor allem eines zählt: Das Produkt selbst.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Macht. Das Heft können Sie hier bestellen.

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