Dürfen Pressesprecher Mitglied in einem Journalisten-Verband sein?

Diskussion

Jedes Jahr wechseln in Deutschland Journalisten und Pressesprecher die Schreibtischseiten: die einen in die Redaktion, die anderen in die Pressestelle oder in eine PR-Agentur. Damit kommt immer wieder die Frage auf: Bleibt der Journalist ein Journalist? Ist ein Pressesprecher auch dann noch ein Journalist, wenn er nicht mehr für Medien arbeitet? Dürfen Pressesprecher Mitglied in einem Journalisten-Verband sein?

Auch innerhalb des Deutschen Journalisten-Verbandes DJV wird diese Frage diskutiert. Von „Ich finde, das geht gar nicht“ bis zu „Wenn ich journalistisch arbeite, bin ich ein Journalist – egal ob in einer Redaktion oder einer Pressestelle“ reichen die Meinungen, die ich dort höre.

Ja, natürlich bleibt ein Journalist ein Journalist, auch wenn er oder sie gute – das heißt journalistische – Pressearbeit macht. Kein Journalist ist, wer Marketing- und Werbetexte mit der Headline „Pressemitteilung“ versieht, Interviews verfälscht statt autorisiert und in Redaktionen nachfragt, wann denn „die Pressemeldung, die wir Ihnen geschickt haben, erscheint“.

Mancher meint Pressesprecher und PR-Leute seien ausschließlich ihren Kunden, Auftraggebern und Chefs verpflichtet und sollten nur in deren Sinne kommunizieren, also Sender-orientiert. Journalisten hingegen seien völlig frei und lediglich der größtmöglichen Aufklärung, dem kritischen Hinterfragen und der unabhängigen Information verpflichtet. Das stimmt aber gleich in mehrfacher Hinsicht nicht.

1. Journalisten sind auch verpflichtet, und zwar ihren Auftraggebern, Redaktionsleitern, Chefredakteuren und Herausgebern gegenüber. Ich habe schon erlebt, dass in einer Tageszeitung werbend über ein Delikatessengeschäft berichtet wurde, weil die Herausgeberin dort Kundin war und das so haben wollte. Ich habe auch erlebt, dass über ein Unternehmen nicht berichtet wird, weil der Inhaber den Wirtschaftsredakteuren nicht sympathisch ist. Derlei Beispiele gibt es zuhauf. Bekannt ist der Fall aus dem DuMont Verlag, bei dem Wirtschaftsredakteure der Frankfurter Rundschau über eine Kooperation von Verlag und Deutscher Bank berichten sollten. Immerhin: Sie haben sich geweigert – ein Zeichen, dass es auch viele Journalisten gibt, die sich der redaktionellen Unabhängigkeit verpflichtet fühlen.

2. Journalisten sind aber auch ihren Kunden gegenüber verpflichtet, nämlich den Lesern, Zuhörern und Zuschauern. Um den Zusammenbruch der Auflagen abzumildern, entscheiden sich manche Medien dafür der verbleibenden Klientel die Stange zu halten. Sie berichten dann nicht mehr über das, was wirklich los ist, sondern nur über solche Themen und Nicht-Themen (drei Meter hohe Sonnenblume im Garten von Opa Heinz, Besucherin im Schwimmbad beklagt das nasse Wasser etc.), von denen sie glauben, es würde der Mehrheit ihrer Leser gefallen. Das machen nicht alle so, aber bei einigen ist die Tendenz schon eindeutig. In einer Regionalzeitung, deren Leserschaft zu 60 Prozent aus Pensionären und Rentnern besteht, finden Themen aus Mittelstand, Forschung und freier Kultur schwer Einzug.

3. Pressesprecher und PR-Leute sind gegenüber ihren Chefs, Kunden und Auftraggebern ein Stück weit frei, wenn sie es richtig machen. Sie müssen sogar frei bleiben, um ihre Chefs und Auftraggeber beraten zu können. Die Beratung dessen, was journalistisch richtig und wichtig ist und wie es umzusetzen ist, ist ein wichtiger Teil von Pressearbeit. Journalistisch zu denken, Erwartungshaltungen der Öffentlichkeit richtig einzuschätzen, konsequent zu recherchieren und verständlich zu kommunizieren hilft ungemein eine PR-Krise zu vermeiden. Journalistisch geschriebene Pressemitteilungen (also wie ein guter nachrichtlicher Text) machen den Redakteuren das Leben leichter, weil News und Nutzen klar werden.
 

Gleiche Werkzeuge, aber zwei Seiten einer Werkbank

Markus Franz schrieb bereits vor über einem Jahr an dieser Stelle:

Müssen wir als Pressesprecher nicht zuallererst unseren Arbeitgebern gegenüber loyal sein? Getreu dem Spruch: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“? Ich finde diesen Spruch abstoßend. Wer ihm folgt, entwürdigt sich.

Wer unkritisch allem folgt und hinnimmt, was Unternehmen, Parteien, Verbände, Hochschulen oder Forschungseinrichtungen gerne kommunizieren möchten, arbeitet in der Tat nicht journalistisch – wird aber auch an seiner Arbeit nicht lange Freude haben. Die Arbeit als Journalist in der Pressearbeit wird gerade dadurch spannend, dass wir dasselbe Werkzeug verwenden wie die Kollegen in den Redaktionen. Wir stehen auf zwei Seiten der Werkbank und arbeiten uns zu.

Journalisten in den Redaktionen sollen informieren, recherchieren und aufklären, sie sollen Komplexes verkürzen und dadurch verständlich machen. Genau das sollen Pressesprecher auch: ebenso Leser- und Empfänger-orientiert ticken und arbeiten. Dass das nicht immer so ist, sondern Pressemitteilungen mit Werbetexten und Interview-Auskünfte mit Selbstdarstellung verwechselt werden, ist schlecht. Besser machen können wir es nur durch ein Miteinander.

Wir brauchen Journalisten in der PR und vielleicht auch PR-Leute im Journalismus – mindestens brauchen wir aber den Austausch der beiden Seiten. Das rate ich regelmäßig auch Studenten und Seminar-Teilnehmern: Geht in die Redaktionen, sprecht mit den Redakteuren, schaut euch an, wie die da arbeiten und was für sie und für ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer wichtig ist. Für diesen Austausch braucht es eine Plattform. Auch deshalb sollten Pressesprecher Mitglieder in Journalisten-Verbänden sein.

 

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