Das Vuitton-Prinzip

Kommentar zu fairen Honoraren

Immer, wenn ich in unserem Büro in der Frankfurter Goethestraße aus dem Fenster sehe, treten gegenüber Menschen mit braunen Papiertüten aus einem Geschäft heraus. Die Tüten sind groß und stabil; selbst leer werden sie bei Ebay gehandelt. Was darin ist, wird jedes Jahr etwa drei bis vier Prozent teurer.

Wir haben alle ein Gefühl dafür, was wir authentisch wert sind. Wir neigen dazu, dem Drang nachzugeben, das auch nach außen anzugeben. Doch unser Gefühl ist falsch. Wir stapeln zu tief, setzen für unsere Leistung zu wenig an, weil wir anderes bezwecken: Oft wollen wir einen Job oder Auftrag bekommen. Neigen dazu, für weniger Geld zu arbeiten, als uns gut tut.

Keine Rabatte, niemals Sale, keine Outlets

Auch Marken kämpfen um Anerkennung. Sie hätten eigentlich demütige Preise nötig. Aber gute Adressen sind teuer: die Düsseldorfer Königsallee, die Münchener Maximilianstraße, der Wiener Graben. Die Frankfurter Goethestraße ist die engste von allen, selbst Luxusmarken haben hier an den astronomischen Mieten zu knabbern und müssen um ihre Kunden kämpfen. Es sind genau zwei, die nicht knabbern: Hermès und Louis Vuitton. Und es gibt einen signifikanten Zusammenhang – den Preis. Bei diesen Labels gibt es keine Rabatte. Eine Verkäuferin von Louis Vuitton sagte, es sei „sonst ungerecht, wenn ein Kunde heute eine Tasche hier kauft und zwei Monate später bekommt er mit, dass wir dieselbe um 20 Prozent billiger verkaufen. Das können wir unseren Kunden nicht zumuten.“ Das ist so bei Louis Vuitton und es ist so bei Hermès. Keine Rabatte, niemals Sale, keine Outlets. Es sind die beiden einzigen, und es sind die besten.

Warum standardisierte Honorare gerecht sind

Und jetzt sind wir bei unserer Beratungsbranche. Macht der Kunde die Probe, fragt er Coaches und Berater nach ihrem Honorar, erfährt er: „Kommt ganz darauf an.“ Und er weiß, er hat es nicht mit Louis Vuitton zu tun und nicht mit Hermès. Unser Honorar ist ein ungerader Betrag, unverrückbar. Es gibt keinen Tag, an dem einer unserer Coaches für mehr oder weniger irgendwohin geht. Anders als bei den genannten Marken wird dieser Betrag nicht jährlich erhöht. Dahinter steht ein Prinzip. Wenn eine Arbeit einen definierten Wert hat, dann immer und für alle. Standardisierte Honorare sind gerecht. Denn was dem einen Klienten als absoluter Einsatz angeboten wird, muss in derselben Qualität für den nächsten bereit stehen. Zu viele winden sich aus diesen Prinzipien heraus. Ganz schlimm wird es, wenn irgendeine „Konjunktur“ für Rabatte herhalten muss. Wenn keine Mengen- und Skaleneffekte möglich sind wie bei Spitzenberatern und Executive Coaches, verbieten sich Rabatte, schließlich sind diese immer selbst engagiert und vervielfältigen sich nicht wie Industrieprodukte.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Mut – Von couragierten Kommunikatoren und cleveren Kampagnen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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