Das PR-Jahr in acht Minuten, Teil 2

Und nochmal die WM: Diesmal mit voller Endorphin-Dosis dank des haarscharfen Triumphs der deutschen Nationalmannschaft am 13. Juli in Rio de Janeiro. Weil es so schön war, hier das entscheidende Tor von Mario Götze gegen Argentinien in der 113. Minute:

 

Doch dann der mediale Aufschrei zur Rückkehr der Kicker nach Berlin: Das “Gaucho-Gate”. Das Echo auf den Auftritt war gewaltig. Die “taz” schrieb von einer “verstörenden Darbietung”, der “Tagesspiegel” von einer “Narretei”, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach entschuldigte sich in einer offizieller Mitteilung. Im Social Web hingegen hielten viele den Trubel um die Gesangseinlage für übertrieben.

Für Peter Szyszka, Professor für Organisationskommunikation und Public Relations an der Hochschule Hannover, gehört dieser Moment zu den größten kommunikativen Fehlschlägen des Jahres:

„Ich habe mich gewundert, mit welcher Naivität die deutsche Nationalmannschaft am Ende vor dem Brandenburger Tor aufgetreten ist. Das war unprofessionell und daneben. Vorher hat sich die Mannschaft professionell und sympathisch verhalten. Das gilt vor allem für den wohl traurigsten Moment der WM, den hohe Sieg gegen Brasilien, der ohne Hochmut gefeiert wurde. Beim Schlussakkord am Brandenburger Tor, der Höhepunkt sein sollte, hat die ‚Gaucho-Nummer‘ Schatten geworfen. Deutlich wird daran zweierlei: Eine Naivität auch erfahrener Spieler im Umgang mit Öffentlichkeit und ein nach wie vor bestehender Nachholbedarf im Kommunikationsmanagement des Profifußballs; letzteres ist allerdings ein komplexeres Problem.“

 

Im August wurde in der PR-Branche der ab dem 1. Januar auch für Praktikanten geltende gesetzliche Mindestlohn diskutiert. Auch die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) nahm Stellung zum neuen Gesetz. Es gäbe gute Gründe gegen einen Mindestlohn für Praktika in der Kommunikationsbranche. So werde es beispielsweise eine härtere Auswahl geben und vielen Studenten würde damit die Chance auf einen Praktikumsplatz genommen, erklärte DPRG-Vorstandsmitglied Thomas Lüdeke. Darüber hinaus müsse das Praktikantengehalt den Rahmenbedingungen des Unternehmens, wie Standort oder Unternehmensgröße, gerecht werden. Die Meldung zu Lüdekes Statement wurde auf der pressesprecher-Facebookseite kontrovers diskutiert:

 Facebook/pressesprecher

Screenshot (c) Facebook/pressesprecher.com

Ein PR-Ei legte im August die Modekette Zara, die gestreifte Kindershirts mit gelben Stern in ihr Sortiment aufnahm. Die offensichtliche Assoziationen zur Kleidung von KZ-Häftlingen kam offenbar weder den iberischen Designern, noch Produzenten oder Vertrieblern. Laut der Entschuldigung des Unternehmens via Twitter („we honestly apologize“) sei das KZ-Shirt für die Kleinen von einem Sheriff-Outfit inspiriert und inzwischen aus dem Handel genommen. Ein Kommunikator, der lieber ungenannt bleiben möchte, bemerkte dazu: „Manche Menschen leben einfach unter einem Stein, ihr Leben lang.”

 

Am 26. und 27. September war es wieder soweit: Der Kommunikationskongress 2014 lockte rund 1.500 Besucher ins Berliner Kongresszentrum ICC. Zwei Tage lang ging es um Best Cases, Trends und eine Bestandsaufnahme der Branche. Im Mittelpunkt standen das sich wandelnde Profil des Kommunikators, der Einfluss der Online-Medien und das Titelthema „Motivation“.

 

Ein besonderes Highlight der Speakersnight war in diesem Jahr zweifellos der lyrische Einschub des Moderators Jörg Thadeusz:

„Unehrlich – das Klagelied an den prekär beschäftigten ­Pressesprecher“

Ich wollte was mit Menschen machen,
Plauschen, texten, ganz viel lachen,
auf Gutes Lichter richten,
Schlechtes wörtlich schlichten.
Ich wollte niemals mit der Wahrheit brechen,
sondern lieb und lauter pressesprechen.
 
Ich hab das Schlimme nicht verschuldet,
sondern schmerzvoll nur erduldet.
Als gelbe Engel ganz tief plumpsten,
oder die beim ZDF behumsten,
ich hab keinen Bock auf krumme Sachen,
ich wollte einfach Meldung machen.
 
Sag ich, ist „schlimm“, ist’s noch viel schlimmer,
ich krieg als letzter einen Schimmer,
weil mir ein Strolch von Chef verhehlt,
was zur Wahrheit nun noch fehlt.
Meine Moral ist regelrecht porös,
ich war nur früher seriös.
 
Ich mach jetzt mal ganz anders,
und sag zur krummen Tour: „Ich kann das“.
Natürlich geht’s kaum tiefer,
aber ich spräche sogar für FIFA.
Wenn nur die Knatter stimmt, wirds klar gemacht,
noch heute in dieser feinen Sprechernacht.

 

Gleich zu Beginn des Monats blamierte sich die Deutsche Bundeswehr mit einer klischeebeladenen Kampagne, um mehr Frauen anzulocken. “Ihr Leben ist bunt und abwechslungsreich. Ihr neuer Job ist es auch”, lautet der Slogan. Dazu servierte man Bilder von vornehmlich in pink gekleideten Damen vor dem Kleiderschrank oder im Schuhgeschäft. Das unzeitgemäße Rollenbild rief ein riesiges Medienecho hervor, unter anderem berichtete Spiegel Online mit Spott und Häme. Zudem tauchte dann, durch einen Fehler bedingt, auch noch Werbung für Haushaltstücher auf unter dem Slogan auf. Kurz darauf wurde die Seite aus dem Netz genommen. So hatte Urula von der Leyen sich die Werbeoffensive sicherlich nicht vorgestellt.

Und was fällt Ihnen als erstes zum Thema "Frauen in der Bundeswehr" ein? (c) Thinkstock/photobac

Und was fällt Ihnen als erstes zum Thema “Frauen in der Bundeswehr” ein? (c) Thinkstock/photobac

Und dann gab es im Oktober noch diese Sache mit den Republikanern und dem Hashtag. Kampagnen-Profi Vinny Minchillo, der schon zur Kandidatur des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney die Werbetrommel für die “Grand Old Party” rührte, dachte, es sei eine gute Idee, das konservative Image der Republikaner auf Twitter zu entstauben. Dafür initiierte er eine SoMe-Kampagne: Zusammen mit dem Hashtag  wurden junge Menschen aufgefordert, ein Selfie zu posten und auf Twitter zu ihrer politischen Gesinnung zu stehen. Doch laut der britischen Zeitung “The Independent” zeichneten die Tweets kein ausreichend vielfältiges Bild der Parteimitglieder. Stattdessen setzte man also auf lizenzfreie Stock-Fotos tätowierter, schwarzer, musikhörender oder Ikearegal-zusammenbauender Menschen. Peinlich nur, dass die Schummelei nach kürzester Zeit entlarvt wurde. Aber auch ohne die Stockfoto-Blamage wäre der Spott nicht ausgeblieben, denn die meisten Posts stammen offenbar von Nutzern, die dem demokratischen Gegenlager angehören. Und diese reichen von mild-ironisch bis bitterböse:

//twitter.com/hashtag/IAmARepublican

So hatten sich die Republikaner den Verlauf ihrer Kampagne sicher nicht vorgestellt… (c) Screenshot: https://twitter.com/hashtag/IAmARepublican

 

„Außergewöhnlich schön. Mehr noch: Ästhetik pur”, lautete das Jury-Urteil für das „PR-Bild des Jahres Deutschland“. Erst auf den zweiten Blick enthüllt das Werk von Fotograf Marius Hoefinger sein Motiv: ein Voith-Turbinenlaufrad für das Wasserkraftwerk Bratsk in Sibirien. Bei der Preisverleihung im Hamburger Stilwerk nahm Kai Schlichtermann, Communication Manager von Voith, den Award entgegen. „Dass es dem Fotografen gelungen ist, diese Schönheit in ihrer ganzen Schlichtheit einzufangen, ist eine Meisterleistung und verdient den Siegerpreis”, lobte Edith Stier-Thompson, Geschäftsführerin von Veranstalter news aktuell, im Namen der Jury. Das Motiv gewann gleichzeitig in der Kategorie „Produktfoto“. Mehr über die Gewinner der weiteren Kategorien finden Sie hier.

 Voith GmbH, Marius Hoefinger

Das Gewinnerbild (c) Voith GmbH, Marius Hoefinger

Vom 15. bis 21. November veranstaltete die ARD die “Themenwoche Toleranz”. Schon bevor das Programm startete, wurden die zugehörigen Plakate, auf denen beispielsweise ein schwules Paar mit der Frage: “Normal oder nicht normal?” abgebildet war, in den Sozialen Medien harsch kritisiert. Klaus Raab urteilte in einem Kommentar auf Zeit Online:

“Es gibt einen Grund, warum diese Fragen nicht genau so gestellt werden sollten: Sie sind eine Frechheit. Sie legitimieren und reproduzieren Assoziationsketten, die aufklärerisch im Sinn von 1950 sind. Die Frage etwa, ob jemand eine Belastung oder eine Bereicherung für die Gesellschaft ist, lässt sich nicht an der Hautfarbe erkennen. So mögen zwar viele Menschen denken, diesen Gedanken muss man aber nicht adeln, indem man ihn auf Plakate druckt. Ähnliches gilt für die Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare normal seien.”

 

 

Und schon sind wir am Ende des Jahres angelangt. Folgen könnte nun eine Aneinanderreihung emotionaler Weihnachtsspots wie diesem hier (bei dem ein Teil unserer Redaktion zugegebenermaßen tatsächlich beinahe ein Tränchen verdrückt hätte) …

 

… aber dann gab es noch eine eher irritierende Meldung vor der Feiertagspause:

Kurz vor Weihnachten bekommt das Politikmagazin „Cicero“ einen Tritt. Der bereits als prüde und zensurfreudig bekannte Apple-Konzern blockierte das aktuelle Titelbild im Itunes-Store. Auf der Januar-Ausgabe blickt Jesus traurig auf die Leserschaft – gepierct, tätowiert und einen Joint haltend. „Wer war dieser Jesus von Nazareth eigentlich?“ fragt Chefredakteur Christoph Schwennicke im Editorial.

Das aktuelle Cover vom „Cicero“ © Cicero

Das aktuelle Cover vom „Cicero“ © Cicero

Früher sei ein „schräger Blick auf das Geburtstagskind“ mit einem „Blasphemievorwurf“ quittiert worden, schreibt er und staunte bestimmt nicht schlecht, als die Redaktion das Cover nicht im Apple-Store hochladen konnte. Dort ist nun ein Platzhalter zu sehen. “Cicero” kann sich dennoch freuen, denn nun bekommt das Magazin die Aufmerksamkeit, die es sich sicherlich wünscht. Ein (rückständiger) Vertriebspartner, der über Inhalte bestimmt? Das ist kein Jugendschutz, das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. (jew)

Das waren sie – die Themen, die uns am stärksten in Erinnerung geblieben sind. Wir freuen uns auf dias PR-Jahr 2015!

Weitere Artikel