Bildungsbürger im Mediendschungel

Sieben Sätze

Palmblätter, tiefgrünes Tropengewächs – ach, geben Sie es doch zu, derart bebilderte Artikel ziehen Sie zurzeit magisch an! Entweder, weil ihr freudianisches Es nach der Information dürstet, wer gerade im fernen Australien wen befummelt hat, oder die Geschlechtsorgane welcher exotischen Tierart verzehrte, oder, und das ist vielleicht sogar wahrscheinlicher, weil Sie gerade voller Enthusiasmus zu einer bildungsbürgerlichen Tirade darüber ansetzen, was das Thema „Dschungelcamp“ denn bitteschön in einem PR-Newsletter zu suchen hat. Das „Handelsblatt“ kann zu diesem Phänomen ein Liedchen singen; Auf ihrer Webseite titelte die Wirtschaftszeitung am Dienstag „Was Sie gestern beim Dschungelcamp verpasst haben“ – darunter: sechs Seiten gähnende Leere, unter Zwischenüberschriften wie „Seite 3: Die zehn besten Zitate“ oder „Seite 6: Ehrlich? Wer liest denn Seite 6?“ nicht eine einzige Notiz. Eine höchst amüsante Art und Weise, dieses omnipräsente Thema auszusparen – fanden jedoch nicht alle. „Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass ein Magazin wie ‚Handelsblatt‘ über diesen niveaulosen Trash berichtet“, echauffierte sich jemand unter dem Artikel, „Wie weit muss eine Gesellschaft schon degeneriert sein, wenn eine Wirtschaftszeitung sich schon genötigt fühlt, über derartigen Müll zu berichten“, erregte sich ein anderer intellektueller Heilsbringer. Diese Kommentare sind ein hübsches Beispiel dafür, wie der Dialog im Netz eben nicht funktioniert. Lediglich „Frau Whitepaper“ bemerkt mit verzweifeltem Blick auf die anderen Kommentatoren: „Was ist die Lehre? Mehr redaktioneller Humor – oder gar keiner?“.

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